Innocenz III. edieren – Registeredition in Theorie und Praxis

Innocenz III. edieren – Registeredition in Theorie und Praxis

Organisatoren
Aaron Schwarz, GRK 2196 „Dokument – Text – Edition“, Bergische Universität Wuppertal
Förderer
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Ort
Wuppertal
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
26.10.2023 -
Von
Patricia Schreyer, Bergische Universität Wuppertal

Die Register und ihre Editionen sind eine wichtige Grundlage für forschende Historiker:innen. Ihre Auswertung und Anwendung birgt ein großes Erkenntnispotenzial für verschiedene Disziplinen wie die Geschichtsforschung, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte. Der Workshop, der im Kontext der Veröffentlichung des ersten Halbbandes des 3. Jahrgangs der Kanzleiregister (Registerfragment) Papst Innocenz’ III. durch Werner Maleczek stattfand, widmete sich der Entstehung und dem Verwendungspotenzial von Registereditionen. Zu Ehren Werner Maleczeks und seiner Veröffentlichung wurde von JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) eine Laudatio gehalten, die persönliche und fachliche Aspekte herausstrich. Er hob hervor, dass Werner Maleczeks Studien der Forschung wichtige Impulse gäben und schloss die Laudatio mit den Worten: „Einmal Innocenz III., immer Innocenz III.“.

In einem inhaltlich und methodisch einführenden Vortrag stellte WERNER MALECZEK (Wien) die Arbeit an der Registeredition des 3. Jahrgangs Innocenz’ III. vor, die sein Berufsleben tief prägte. Gemeinsam mit anderen Historiker:innen habe er über Jahrzehnte Material gesammelt, um die verlorenen Jahrgänge des Pontifikats zu rekonstruieren. Ausgangspunkt der Rekonstruktion des zweiten Teils des 3. und des gesamten 4. Jahrgangs seien Rubrizellen, Empfängerüberlieferung der Urkunden sowie die Compilatio Tertia, die wohl auf Innocenz III. selbst zurückgehe. Insgesamt sei circa ein Drittel des Materials rekonstruierbar. Er schloss mit einem Ausblick auf die nun anstehende Rekonstruktion der zweiten Hälfte des 3. Jahrgangs.

JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) erörterte die Verwendungsweise der Register als historische Quelle vor dem Hintergrund der Möglichkeiten und Grenzen der Erschließung von Papsturkunden durch Regesten und Editionen. Bei der Regestierung päpstlicher Urkunden vor 1198 im Rahmen der Regesta Pontifica Romanorum (RPR) sei der Blick auf den Rechtsgehalt derselben reduziert. Die Edition der Register Innocenz’ III. profitiere hingegen von einem kulturwissenschaftlichen Zugang zum Material. Zudem bediene die Edition aufgrund der geographischen Vielfalt der Betreffe das aktuelle Forschungsinteresse an Kommunikation und Wechselwirkungen zwischen Zentrum und Peripherie auch für Regionen – etwa Nordfrankreich –, die bisher durch die RPR nicht erschlossen seien.

Auch BARBARA BOMBI (Kent) betonte in ihrem Beitrag den Quellenwert der Register, blickte dabei aber über den engeren Radius der Kurie hinaus. Sie hob hervor, dass eine Interdependenz zwischen kanonistischer Tradition und kurialer Registerführung bestand. Immer häufiger seien Dekretalen aus kurienfernen Sammlungen in die päpstlichen Register kopiert worden, sodass diese ihrerseits kleine kanonistische Sammlungen enthielten. Dies habe zur kirchenrechtlichen Beeinflussung des Papsttums von außen geführt.

Einen Einblick in die digitale Diplomatik aus der Sicht archivarischer Praxis gewährte MARIA-MAGDALENA RÜCKERT (Ludwigsburg). Regesten würden sich besonders zur Implementierung in Datenbanken eignen, was etwa anhand der Regesta Imperii sichtbar werde. Die Digitalisierung und Verknüpfung von Archiv-Beständen stelle dabei einen Schritt zu modernen historischen Forschungsarbeiten dar, bedeute aber zugleich einen hohen Aufwand an zeitlichen und technischen Ressourcen. Nichtsdestotrotz überwögen die Vorteile eines hybriden Verfahrens, das insbesondere die schnelle Zugänglichmachung von Informationen gewährleiste und für zukünftige Register-Editionen in digitaler Umgebung zu erwägen sei.

ANDREAS ZAJIC (Wien) stellte in seinem Beitrag mit der Court/Chancery Hand eine Schrift der Frühen Neuzeit vor, die eine gewisse Exklusivität zeige. Urkunden in solcher Schrift seien teils schwer lesbar, sollten aber Kanzleimäßigkeit und Authentizität gewährleisten, um vor Fälschungen zu schützen. Sie seien mit diesen Charakteristika mit der Bollatica in Verbindung zu bringen, die von der päpstlichen Kanzlei seit dem 16. Jahrhundert bis 1878 angewandt wurde. Er stellte die These auf, dass das Bestreben nach Unverwechselbarkeit teils mit national-politischen Schwierigkeiten zusammenhinge.

Der Workshop wurde durch einen von AARON SCHWARZ (Wuppertal) moderierten Roundtable abgeschlossen. MATTHIAS THUMSER (Berlin) berichtete von seinen Erfahrungen und Techniken bei der Edition der Briefe Papst Clemens’ IV. Da die Überlieferungslage quasi lückenlos sei, könne der Quellenwert als hoch eingeschätzt und Aussagen zu persönlichen Intentionen des Papstes getroffen werden. Den Ausgangspunkt bildeten bei Clemens IV. 18 Handschriften. WERNER MALECZEK (Wien) ergänzte, dass der Quellenwert der Register Innocenz’ III. für die Erforschung der Ordensgemeinschaften besonders hoch sei, da die Eintragungen diese etwa vor dem Vorwurf der Häresie schützten und gewährte Privilegien rechtssichernd fixierten. Gleichzeitig habe die Verschriftlichung auch für das Papsttum Vorteile geboten, wie die Einbringung von Geldbeträgen durch entsprechende Gebühren und eine bessere (rechtliche) Kontrolle der Orden. CARMEN CARDELLE DE HARTMANN (Zürich) gewährte einen Einblick in eine mögliche Einbeziehung von Papstregistern in die Literaturwissenschaft. Dies hänge wesentlich vom Literatur-Begriff ab, den es zu reflektieren gelte. Zwar seien Urkunden und Briefe an ihren jeweiligen Kontext gebunden, ohne dessen Berücksichtigung ihre Interpretation nicht möglich sei, und würden deshalb in den meisten Fällen nicht als Literatur gewertet. Ihr kommunikativer Wert sowie ihre teils hohe sprachliche, anspielungsreiche Stilisierung, etwa in den Arengen, biete allerdings Anknüpfungspunkte für eine literaturwissenschaftliche Betrachtung. ANJA GREBE (Krems) sprach zur Bedeutung von Urkunden für die Kunstgeschichte. Jene Quellengattung werde noch selten in diese Disziplin eingebunden, obwohl es möglich sei und neue Erkenntnisgewinne verspreche. Dabei könnten besonders die (methodisch zu unterscheidende) Buchmalerei und -illustrationen der Gotik interessante Informationen zu Entstehungskontext und Intention bieten. Dies betreffe auch die Ausgestaltung der Kanzleiregister, die bisher kaum untersucht ist.

Insgesamt hoben die Beiträge des Workshops hervor, dass die Arbeit an Registereditionen in mehrfacher Hinsicht Erkenntnisse bereithalte. Zwar sind solche Forschungen umfangreich und zeitintensiv, wie der Einblick durch Werner Maleczek in die Arbeitsweise der rekonstruierenden Methode belegte. Dennoch sind solche Projekte für eine Vielzahl von Disziplinen jenseits der Geschichtsforschung im engeren Sinne interessant und erscheinen daher auch beim Nachfolger Innocenz’ III., Papst Honorius III., dringend erforderlich.

Konferenzübersicht:

Aaron Schwarz (Wuppertal): Begrüßung

Jochen Johrendt (Wuppertal): Laudatio

Werner Maleczek (Wien): Aus der Werkstatt der Edition der Register Papst Innocenz’ III. Die Rekonstruktion des dritten Registerjahrganges.

Moderation: Aaron Schwarz (Wuppertal)

Jochen Johrendt (Wuppertal): Papsttumsforschung mit und ohne Register – der Epocheneinschnitt von 1198

Barbara Bombi (Kent): Papal Registers as a Source of Medieval Canon Law – Edition and Perspectives

Moderation: Jochen Johrendt (Wuppertal):

Maria-Magdalena Rückert (Ludwigsburg): Papstregister aus der Perspektive einer digitalen Diplomatik

Andreas Zajic (Wien): Gotische Urkundenkursiven als „Signature Scripts“ in der Frühen Neuzeit: Bollatica und Court/Chancery Hand im Vergleich (15.–19. Jh.)

Moderation: Aaron Schwarz (Wuppertal)

Roundtable

Werner Maleczek (Wien) / Carmen Cardelle de Hartmann (Zürich) / Anja Grebe (Krems) / Matthias Thumser (Berlin): Perspektiven auf Ordensgeschichte, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft

Redaktion
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